Konzept & Design in der Praxis – Ein Erfahrungsbericht

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Den fol­gen­den Arti­kel habe ich am 01.Februar zuerst bei dem kol­la­bo­ra­ti­ven Blog “Future Of Web Stra­tegy” ver­öf­fent­licht, der diese Tage ein­ge­stellt wurde.

Ein persönlicher Rückblick

Fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass ich zum ersten Mal Konzeptaufgaben für Webinterfaces übernommen habe. Ausgestattet mit einer guten Vorlesung aus meinem Grundstudium zum Thema Informationsarchitektur, der Lektüre von Steven Krug’s “Don’t make me think” und einer ordentlichen Portion “gesunden Menschenverstand” war ich für die ersten Aufgaben gut gerüstet. Diese waren in erster Linie für die Übersichtlichkeit und Nutzerfreundlichkeit von digitalen Kommunikationsmaßnahmen zu sorgen.

Doch während der Vorbereitung zu meiner Diplomarbeit merkte ich, dass sich für das Betätigungfeld des Konzepters ein noch weit größerer Horizont auftat. Unter dem Begriff “User Experience” wurde ausgehend von den USA eine umfassende, ganzheitliche Sicht von digitalen Interfaces diskutiert.

Parallel entdeckte ich die Agenturen wie “Adaptive Path”, “IDEO” oder “frogdesign”, die User Experience Design mit strategischen Beratungsmodellen verbinden und am Markt anbieten.

Von diesen beiden Beobachtungen angestoßen, entwickelte ich in meiner Diplomarbeit die Vorstellung eines strategischen User Experience Designs, welches über die anfänglichen Bezugfelder Information Architecture und Usability hinausging. Ein Aspekt der mir besonders wichtig erschien, war die Vermittlung von Nutzer- und Businessinteressen.

Zurück in der beruflichen Praxis merkte ich jedoch schnell, dass die Vorstellungen und Erwartungshaltungen hinsichtlich eines Konzepters weit auseinander gingen. Der Jobtitel Konzepter war ein Container, in dem sich allerlei Sachen sammeln liesen und der gerne  mit wechselnden Begriffen ergänzt wurde, die mit einem Slash dazwischen abgetrennt wurden. Und im Halbjahrestakt tauchten neue Phänome und Herausforderungen auf, mit denen man als Konzepter umgehen musste. Anfang 2008 stand zum Beispiel das Thema Social Media plötzlich auf der Agenda und brachte einige Fragen und Herausforderungen mit denen umgegangen werden musste.

Status-quo – perpetual beta

So wie vielleicht kein zweiter Job im Bereich der digitalen Kommunikation ist für mich der des Konzepters einem permanenten Wandel unterworfen. Dabei meine ich nicht die jobbezogene Umwelt in der man sich bewegt und in der auch sehr viel passiert, sondern der Job mit seinen Aufgaben und Tätigkeiten selber.

Meiner Meinung nach wäre es daher sinnvoll die Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung des Konzepters immer wieder neu zu reflektieren und zu rejustieren. Daneben sehe ich die Notwendigkeit die Aufgaben und Tätigkeiten für jeden einzelnen Konzepter genauer auszuloten. An der Schnittstelle zwischen Business, User und Technik sorgen schon die verschiedenen persönlichen Hintergründe wie Studium und  Agenturenerfahrungen dafür, dass sich individuelle Schwerpunkte ergeben.

Der Strukturexperte+

Wenn es aber doch zumindest eine Konstante gibt, die den Begriff Konzepter kennzeichnet, dann ist es für mich der des “Strukturgebers”. Das Verständnis des Strukturgebers reicht für mich dabei vom Strukturgeben bei Entwurf und Entwicklung von Interfaces bis hin zum Strukturgeben bezüglich neuer Business-, Consumer- und Techniktrends.

Um den Begriff der Struktur weiter zu ergründen, ist es interesant sich die verschiedenen Bedeutungsnuancen anzuschauen, die diesem Begriff in seiner Geschichte zugeordnet wurden (vgl. Wikipedia): Konstruktion, Systemstruktur, Klassifikation, Beschaffenheit und Sinngefüge. Ich finde, dass diese begrifflichen Differenzen direkt unterschiedliche Aspekte aus der Konzeptionspraxis anklingen lassen, die Konzepter kennen werden und die vielleicht mal auf eine andere Art und Weise beschreiben, was den Job des Konzepters ausmacht.

Desweiteren sehe ich bei den Betrachtung dieser Bedeutungsnuancen  auch den Begriff Strategie hervortreten. Was den Strukturexperten vom Strategen allerdings trennt, ist das integrative Denken von abstrakter Logik und konkreter Erfahrung, sowie dessen praktische Umsetzung.

Struktur + Form → better together

In der Sprache des Designs wird Struktur immer um den Begriff der Form ergänzt. Während früher, der geringere Komplexitätsgrad von digitalen Interfaces, die Job-Trennung von Strukturgeber (Konzepter) und Formgeber (Designer) noch nicht notwendig machte, so entsteht durch die heutige Arbeitsteilung zunächst das potenzielle Problem von Reibungsverlusten. Die Qualität eines guten Designs lebt jedoch davon, dass Reibungsverluste zwischen Struktur und Form vermieden werden und Entwürfe “aus einem Guss” sind.

Daher ist es meiner Meinung nach heute und in Zukunft unabdingbar, dass Konzepter und Designer so integriert wie möglich zusammenarbeiten. Grundlage hierfür sollte das Verständnis eines gemeinsamen Entwerfen bzw. gemeinsamen Designpraxis sein. Die folgenden zwei Aspekte sehe ich als aktuelle Herausforderungen auch dem Weg dorthin.

Usable Concepts

Für die alltägliche Entwurfspraxis ist es wichtig, dass Konzepter genau wissen, welche Schritte in welcher Form dokumentiert werden. Diese Dokumentationen dienen meist der inhaltlichen Abstimmung mit dem Kunden und als Arbeitsgrundlage für die technische Umsetzung. Jedoch gibt es meiner Meinung nach noch Optimierungsbedarf um die Handhabbarkeit der Dokumentationen für Designer zu optimieren.

Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Visualität von Dokumentationen. Schon bei der Dokumentationsform “Wireframe” können hier zum Beispiel erhebliche Missverständnisse entstehen, wenn der Eindruck gewonnen wird, der Konzepter würde bereits ein erstes Groblayout andeuten. Über Sinn, aber auch ggf. potenziellen Unsinn von Wireframes sollte sich daher besonders in noch nicht eingespielten Teams unbedingt ausgetauscht werden. Grundsätzlich aber sehe ich es jedoch als notwendig an, dass Konzepter visueller werden sollten.

Conceptual Argumentation

Auf der anderen Seite sehe ich die Notwendigkeit, dass Designer stärker an konzeptionellen Argumentationen anknüpfen und diese mit weiterspinnen. Diese Argumentationen sind von Hause aus logisch aufgebaut sind und erfordern das man in einer gemeinsamen Sprache weiterspricht.

Das Ergebnis einer stärkeren konzeptionellen Argumentation des Designs dürfte sich in einem besseren Verständnis durch den Kunden und einer stärkeren Überzeugungskraft bezahlt machen.

Wie es weiter geht…

Der Konzepter ist und bleibt in einer herausfordernden Schnittstellenfunktion. Das macht diesen Job so spannend, stellt in aber auch immer wieder vor neue Herausforderungen. Um diesen Herausforderungen nachhaltig gerecht zu werden, darf und sollte der Konzepter sich auch als Designer verstehen. Hierbei muss er sich jedoch als guter Teamplayer beweisen und den “Designer von Hause aus” dazu einladen Design wieder verstärkter als Einheit von Struktur und Form zu betrachten, so dass gemeinsam herausragende Entwürfe entstehen können. Ein besonders ausgeprägtes gegenseitiges Verständnis ist hierzu unabdingbar.

Abschließend möchte ich noch auf eine wertvolle Inspiration für diesen Beitrag hinweisen!
Bonsiepe, G. (2009): Entwurfskultur und Gesellschaft. Basel: Birkhäuser.

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By David Gilbert

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